Gastbeitrag Wie Windräder die Umwelt zerstören

2565545961Die Windkraft gilt vielen als Zukunftstechnologie. Doch die gutgemeinte ökologische Energiegewinnung vernichtet Kulturlandschaften und stärkt unfreiwillig die Kohlekraftwerke.
Von Oskar Lafontaine, FAZ 12.12.2013

Unter dem Vorwand, die Umwelt zu schützen, wird die Landschaft zerstört. Es ist an der Zeit, die Stromerzeugung durch „Stahlkolosse“, die eine Gesamthöhe von zweihundert Metern erreichen können, zu beenden. Zur Erinnerung: Der 161 Meter hohe Turm des Ulmer Münsters ist der höchste Kirchturm der Welt, und der Kölner Dom ist mit 157 Metern Höhe das zweithöchste Kirchengebäude Deutschlands. Gott sei Dank sind noch keine Pläne bekanntgeworden, in unmittelbarer Nähe dieser Sakralbauten Windräder zu errichten, um die Umwelt zu schützen. Hohe Grundstückspreise können auch ein Vorteil sein. Aber die Zerstörung der deutschen Kulturlandschaft schreitet scheinbar unaufhaltsam voran. Kein Wunder. Für ein Windrad, das an einem durchschnittlichen Standort in Deutschland im Jahr sechs Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt, wird pro Jahr eine Pacht von 60.000 Euro gezahlt. An windreichen Standorten in Norddeutschland steigen die jährlichen Einnahmen der Grundbesitzer auf 90.000 Euro.

Öko ist nicht zwangsläufig gut für die Umwelt

Der Anteil der Stromerzeugung aus Windenergie am primären Energieverbrauch in Deutschland wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit 1,3 Prozent für das Jahr 2012 angegeben. Und dafür sollen wir unsere Kulturlandschaft zerstören? Selbst wenn es gelänge, diesen Anteil auf 2,6 Prozent zu verdoppeln, wäre das noch immer nicht gerechtfertigt. Man muss kein Energieexperte sein, um sofort zu erkennen, dass der auf die Windenergie entfallende Anteil der Kohlendioxidreduzierung leicht durch andere Technologien ersetzt werden kann.

Doch nicht einmal die Kohlendioxidbilanz der Windenergie ist zurzeit ein Argument. Es mehren sich Stimmen, die darauf hinweisen, dass der Ökostromausbau heute zu einem erhöhten Kohlendioxidausstoß führt. Ursache dafür ist, dass Gaskraftwerke sich nicht mehr rechnen, weshalb wieder vermehrt Kohlekraftwerke eingesetzt werden. Das Fördersystem für erneuerbare Energien sorgt so dafür, dass mit jedem neuen Windrad mehr Kohle verfeuert und daher zusätzliches Kohlendioxid ausgestoßen wird.

Was unter dem Vorwand des Umweltschutzes angerichtet wird, hat der Schriftsteller Botho Strauß treffend beschrieben: „Eine brutalere Zerstörung der Landschaft, als sie mit Windkrafträdern zu spicken und zu verriegeln, hat zuvor keine Phase der Industrialisierung verursacht. Es ist die Auslöschung aller Dichter-Blicke der deutschen Literatur von Hölderlin bis Bobrowski. Eine schonungslosere Ausbeute der Natur lässt sich kaum denken, sie vernichtet nicht nur Lebens-, sondern auch tiefreichende Erinnerungsräume. Dem geht allerdings voraus, dass für die kulturelle Landschaft allgemein kaum noch ein Empfinden lebendig ist. So verbindet sich das sinnliche Barbarentum der Energieökologen dem des Massentourismus.“

Die Landschaft wird ihrer Poesie beraubt

Ein extremes Beispiel für das sinnliche Barbarentum der Geldmacherei, die sich als Energieökologie maskiert, findet sich neuerdings im Saarland. An der deutsch-französischen Grenze, im Landkreis Merzig, wurde unter der Leitung des Bildhauers Paul Schneider eine Skulpturenstraße errichtet. „Der tiefe Wunsch des Bildhauers, eine Steinskulptur frei im natürlichen Raum zu gestalten, wo jahreszeitliche Veränderungen, wo Tag- und Nachthimmel im Wechselspiel der Wolken beitragen zu einem so anregenden und vielseitigen Thema wie Steine in der Landschaft, hat mich bewegt, Bildhauerkollegen aus verschiedenen Ländern einzuladen.“ So begründete der Künstler seine Idee. 32 Skulpturen sind im Laufe der Jahre entstanden. Künstler aus sechzehn Nationen haben die „Steine an der Grenze“ geschaffen. Die Werke der Bildhauer haben der Landschaft ein anderes Gesicht gegeben. Sie haben sie verändert, so wie sie die Schwingungen dieser Landschaft aufgenommen und ihre jetzige Form erhalten haben. Diese Landschaft, der Saargau, hat ihren eigenen Reiz.

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